Aufgabe 18.1.
Es bezeichne \(\mathcal L(V,W)\) der Vektorraum der linearen Abbildungen zwischen normierten Räumen \((V,\lVert \;\rVert_V)\) und \((W,\lVert \;\rVert_W)\). Wir nennen eine lineare Abbildung \(T\colon V\to W\)
beschränkt falls \[\lVert T\rVert_{op} = \sup_{v\in V\setminus\{0\}}
\frac{\lVert T(v) \rVert_W}{\lVert v\rVert_V} \lt \infty\] und schreiben \(L(V,W)\) für die Menge der beschränkten linearen Abbildungen. Zeigen Sie:
(a) \(L(V,W)\) ist ein Untervektorraum von \(\mathcal L(V,W)\) und durch \(\lVert \;\rVert_{op}\) wird eine Norm auf \(L(V,W)\) definiert, die sogenannte Operatornorm.
(b) Falls \((W,\lVert \;\rVert_W)\) ein Banach-Raum ist, so ist auch \((L(V,W),\lVert \;\rVert_{op})\) ein Banach-Raum.
(c) Für \(S,T\in\mathcal L(V,V)\) gilt \(\lVert S\circ T \rVert_{op}\le
\lVert S\rVert_{op} \lVert T\rVert_{op}\).
Lösung 18.1.
(a) Offensichtlich gilt \(\|S+T\|_{op}\le \|S\|_{op}+\|T\|_{op}\) und \(\|\lambda T\|_{op}=|\lambda|\cdot\|T\|_{op}\) für \(\lambda\in \mathbb K\). Insbesondere ist \(L(V,W)\) ein Untervektorraum von \(\mathcal L(V,W)\). Die Operatornorm verschwindet nur für die Nullabbildung. Also ist \(\|\quad\|_{op}\) eine Norm auf diesem Untervektorraum.
(b) Ist \((T_n)\) eine Cauchy-Folge in \(\mathcal L(V,W)\), so ist für jedes \(v\in V\setminus \{0\}\) die Folge \((T_n(v))\) eine Cauchy-Folge in \(W\) und konvergiert gegen einen Grenzwert \(T(v)\in W\), da \(W\) vollständig ist. Zu zeigen ist, dass die derart definierte Abbildung \(v\mapsto T(v)\) in \(\mathcal L(V,W)\) liegt. Da Addition und Skalarmultiplikation in \(W\) stetig sind, gilt die dritte Gleichung in der Gleichungskette \[T(v+w)=\lim (T_n(v+w))= \lim\left( T_n(v)+T_n(w)\right)=\left(\lim T_n(v)\right)+\left(\lim T_n(w)\right)=T(v)+T(w)\] und analog für das Skalarprodukt. Somit ist \(T\) linear. Die Beschränktheit von \(T\) folgt aus der Tatsache, dass jede Cauchy-Folge von beschränkten Operatoren durch eine gemeinsame Schranke aller Folgenglieder beschränkt wird: Es gibt ein \(N\in \mathbb N\) mit der Eigenschaft, dass \(\|T_k-T_l\|_{op}\lt 1\) für alle \(k,l\ge N\). Die Zahl \((\max_{n\le N}\|T_n\|_{op})+1\) ist dann eine Schranke für \(\|T_n\|_{op}\) für alle \(n\in \mathbb N\) und insbesondere auch für \(\|T\|_{op}\). Die Folge \((T_n)\) konvergiert gegen \(T\) in der Operatornorm: Zu \(\varepsilon\gt 0\) sei \(N\) so groß, dass gilt \(\|T_k-T_l\|_{op}\lt \frac\varepsilon2\) für alle \(k,l\ge N\). Dann gilt für alle \(v\in V\setminus \{0\}\) und \(k,l\ge N\) die Abschätzung \(\|(T_k-T_l)(v)\|\le \frac\varepsilon2 \). Lassen wir \(l\) fest und \(k\) gegen Unendlich gehen, so gilt \(\|T(v)-T_l(v)\|=\|\lim_{k\to \infty}T_k(v) -T_l(v)\|\le \frac\varepsilon2 \|v\|\lt\varepsilon \|v\|\) und folglich die Abschätzung \(\|T-T_l\|_{op}\lt \varepsilon\) für alle \(l\ge N\). Das beweist die behauptete Konvergenz.
(c) Ist \(v\in V\setminus \{0\}\), so gilt \[ \|S(T(v))\| \le \|S\|_{op}\cdot \|T(v)\| \le \|S\|_{op}\cdot \|T\|_{op}\cdot \|v\| \] und folglich \(\lVert S\circ T \rVert_{op}\le
\lVert S\rVert_{op} \lVert T\rVert_{op}\).
Aufgabe 18.2.
Auf dem Vektorraum der reellen \(n\times n\)-Matrizen \(Mat_{\mathbb R}(n,n)\) sind die Euklidische Operatornorm \(\lVert\;\rVert_{op}\) und die Frobenius Norm \(\lVert\;\rVert_F\) wie folgt definiert: \[ \lVert A \rVert_{op} = \sup_{x\in\mathbb R^m\setminus 0} \frac{\lVert Ax\rVert_2}{\lVert x\rVert_2} \hspace{20mm} \lVert A \rVert_F = \sqrt{\sum_{i,j=1}^n|a_{ij}|^2} \] Hierbei bezeichnet \(\lVert \;\rVert_2\) die Euklidische Norm auf \(\mathbb R^n\).
(a) Folgern Sie, dass dies tatsächlich Normen sind. (Hinweis: Zeigen Sie, dass alle linearen Abbildungen \(\mathbb R^n\to\mathbb R^n\) bezüglich \(\lVert \;\rVert_2\) beschränkt sind.)
(b) Berechnen Sie beide Normen für die Matrizen \[ T=\begin{pmatrix} 1&2&3\\4&5&6\\7&8&9 \end{pmatrix} \hspace{20mm} D=\begin{pmatrix} \lambda_1 &0&0\\0&\lambda_2&0\\0&0&\lambda_3 \end{pmatrix}, \quad \lambda_i\in\mathbb R. \]
(c) Gibt es eine Norm\(\lVert\;\rVert\) auf \(\mathbb R^n\), so dass \(\lVert
A\rVert_F=\sup_{x\in\mathbb R^n\setminus \{0\}} \frac{\lVert Ax\rVert}{\lVert
x\rVert}\) gilt? Ist die Eigenschaft \(\lVert AB \rVert_F\le \lVert A
\rVert_F\lVert B \rVert_F\) erfüllt?
Lösung 18.2.
(a) Die Frobenius-Norm ist die euklidische Norm auf dem Vektorraum \(Mat_{\mathbb R}(n,n)\cong \mathbb R^{n^2}\). Es gilt \[\|A\|_{op} =\sup_{\|x\|_2=1}\|Ax\|_2.\] Die Abbildung \(x\mapsto \|Ax\|_2\) ist eine stetige Funktion auf der kompakten Einheitssphäre im \(\mathbb R^n\), nimmt also das Maximum an. Insbesondere ist diese Funktion, und damit \(\|A\|_{op}\) beschränkt. Aus Aufgabe 1 folgt der Rest.
(b) Die Frobenius-Normen errechnen sich leicht: \(\|T\|_F=\sqrt{285}\) und \(\|D\|_F=\sqrt{\lambda_1^2+\lambda_2^2+\lambda_3^2}\). Für \(\|x\|_2=1\) gilt mit \(\lambda:=\max_{i\le 3}{|\lambda_i|}\) die Abschätzung\[ \|Dx\|_2=\sqrt{\lambda_1^2x_1^2+\lambda_2^2x_2^2+\lambda_3^2x_3^2}\le
\sqrt{\lambda^2x_1^2+\lambda^2x_2^2+\lambda^2x_3^2}\le \lambda\sqrt{x_1^2+x_2^2+x_3^2}=\lambda.\] Es folgt \(\|D\|_{op}\le \lambda\). Angewandt auf die Standard-Einheitsvektoren \(e_i\), erhält man \(\|De_i\|_2=|\lambda_i|\). Es folgt \(\|D\|_{op}\ge \max_{i\le 3}{|\lambda_i|}=\lambda\) und damit \(\|D\|_{op} =\lambda\).
Zur Berechnung der Operatornorm von \(T\) überlegt man sich zuerst, dass die Operatornorm sich durch Konjugation mit einer orthogonalen Matrix \(O\) nicht ändert: \(\|A\|_{op}=\|O^{-1}AO\|_{op}\). Eine \(3\times 3\)-Matrix lässt sich derart durch orthogonale Transformation auf Diagonalgestalt bringen, wenn sie zum Beispiel drei verschiedene Eigenwerte besitzt, wie die Telefonmatrix \(T\). Man muss also nur die Eigenwerte von \(T\) bestimmen: \[\begin{aligned}\left|\begin{matrix}1-t&2&3\\4&5-t&6\\7&8&9-t\end{matrix}\right|&=
\left|\begin{matrix}1-t&2&3\\3+t&3-t&3\\6+t&6&6-t\end{matrix}\right|\\
&=\left|\begin{matrix}1-t&2&3\\3+t&3-t&3\\-t&2t&-t\end{matrix}\right|\\
&=t \left|\begin{matrix}1-t&2&3\\3+t&3-t&3\\-1&2&-1\end{matrix}\right|\\
&=t\left( -(1-t)(3-t) -6 +6(3+t) +3(3-t)-6(1-t)+2(3+t)\right)\\
&= t(-t^2+15t+18)
\end{aligned}\]
Die Nullstellen des charakteristischen Polynoms sind \(0\) und \(\frac{15\pm 3\sqrt{17}}2\). Folglich gilt \(\|T\|_{op}=\frac{15+3\sqrt{17}}2\).
(c) Die Operatornorm der Einheitsmatrix ist \(1\). Die Frobeniusnorm der Einheitsmatrix ist \(\sqrt{n}\). Die Frobeniusnorm ist also nur für \(1\times 1\)-Matrizen eine Operatornorm. Zum Beweis der Ungleichung \(\|AB\|_F\le \|A\|_F\cdot \|B\|_F\) betrachten wir die Matrix \(A\) als bestehend aus einem Spaltenvektor bestehend aus den Zeilenvektoren \(a_{i*}=(a_{i1}, a_{i2},\ldots,a_{in})\). Die Matrix \(B\) betrachten wir als Zeilenvektor, bestehend aus den Spaltenvektoren \[b_{*j}=\left(\begin{matrix}b_{1j}\\b_{2j}\\ \vdots \\ b_{nj}\end{matrix}\right).\] Der Eintrag \((AB)_{ij}\) der Produktmatrix kann geschrieben werden als das Skalarprodukt der beiden Vektoren \( (AB)_{ij} = \langle a_{i*},b_{*j}\rangle\). Es gilt die Abschätzung \[(AB)^2_{ij}=\left(\langle a_{i*},b_{*j}\rangle\right)^2\le \|a_{i*}\|^2\|b_{*j}\|^2.\] Daraus folgt \[\begin{aligned}\|AB\|_F^2&=\sum_{i,j}(AB)^2_{ij}= \sum_{i,j}\left(\langle a_{i*},b_{*j}\rangle\right)^2\\& \le \sum_{i,j}\|a_{i*}\|^2\|b_{*j}\|^2=\left(\sum_i\|a_{i*}\|^2\right)\cdot \left(\sum_j\|b_{*j}\|^2\right)\\&=\|A\|_F^2\cdot \|B\|_F.^2\end{aligned}\]
Aufgabe 18.3.
Eine Funktion \(f\colon[a,b]\to\mathbb R\) auf einen beschränkten Intervall heißt Treppenfunktion wenn es eine Zerlegung \(a=t_0\lt t_1\lt\dots\lt t_n=b\) gibt, so dass \(f\) auf jedem offenen Intervall der Form \((t_{i-1},t_i)\) konstant einen Wert \(c_i\in\mathbb R\) annimmt; die Werte \(f(t_i)\) sind dabei beliebig. Für ein solches \(f\) sei \[I_a^b(f)=\sum_{i=1}^nc_i(t_i-t_{i-1}).\] Bekanntermaßen sind Treppenfunktionen Riemann integrierbar und es gilt \(I_a^b(f)=\int_a^bf(x)dx\). Weiterhin bilden die Treppenfunktionen offensichtlich einen Untervektorraum \(Tr([a,b])\) der beschränkten Funktionen \(B([a,b])\), den wir mit der Supremumsmetrik \(d_\infty(f,g)=\sup_{x\in[a,b]}|f(x)-g(x)|\) ausstatten. Zeigen Sie:
(a) Der Abschluss \(\overline{Tr([a,b])}\subset B([a,b])\) enthält alle stetigen Funktionen auf \([a,b]\).
(b) Die Abbildung \(I_a^b\colon Tr([a,b]) \to \mathbb R\) ist gleichmäßig stetig und besitzt eine eindeutige stetige Fortsetzung auf \(\overline{Tr([a,b])}\), die wir wieder mit \(I_a^b\colon \overline{Tr([a,b])}\to\mathbb R\) bezeichnen.
(c) Jedes \(f\in\overline{Tr([a,b])}\) ist Riemann integrierbar es gilt \(I_a^b(f) = \int_a^bf(x)dx\).
Lösung 18.3.
(a) Es sei \(f\colon [a,b]\to \mathbb R\) eine stetige Funktion und \(\varepsilon\gt 0\). Zu zeigen ist: Es gibt eine Treppenfunktion \(t\) mit \(d_\infty(f,t)\lt \varepsilon\). Auf dem Kompaktum \([a,b]\) ist \(f\) gleichmäßig stetig. Es gibt also ein \(\delta\gt 0\) so dass für \(x,y\in [a,b]\) mit \(|x-y|\lt \delta\) gilt \(|f(x)-f(y)|\lt \varepsilon\). Wähle eine Zerlegung \((x_0,x_1,\ldots x_n)\) des Intervalls \([a,b]\) mit \(|x_i-x_{i-1}|\lt \delta\) und definiere die Treppenfunktion \(t\) durch \[t(x):=f\left(x_m\right);\quad \text{ mit } m:=\max\{ i \mid x_i\le x\}.\]
(b) Sind \(s,t\) Treppenfunktionen, so gilt \[|I_a^b(s)-I_a^b(t)| = |I_a^b(s-t)|\le I_a^b(|s-t|) \le I_a^b (d_\infty(s,t))=(b-a)d_\infty(s,t).\] Die Abbildung \(I_a^b\) ist also Lipschitz-stetig mit Lipschitz-Konstante \((b-a)\). Die Fortsetzung exisitiert, da der Raum der beschränkten Funktionen vollständig ist bezüglich der Supremumsnorm.
(c) Es sei \(f\in\overline{Tr([a,b])}\) gegeben und \(\varepsilon\gt 0\). Dann gibt es eine Treppenfunktion \(t\) mit \(d_\infty(f,t)\lt\frac\varepsilon{3(b-a)}\). Für die Treppenfunktionen \(t_\pm:= t\pm\frac\varepsilon{3(b-a)}\) gilt \(t_-(x) \le f(x) \le t_+(x)\) für alle \(x\in [a,b]\) und \(I_a^b(t_+)-I_a^b(t_-)=\frac23\varepsilon\lt\varepsilon\). Somit ist die Differenz von Ober- und Unterintegral von \(f\) kleiner als \(\varepsilon\) und damit \(f\) Riemann-integrierbar.